Erfahrungsbericht | gute Praxis: Virtuelle Fortführung der Programmarbeit der Kreisintegrationsstelle am Beispiel des Netzwerkes Sprachbildung im Landkreis Karlsruhe

Veröffentlicht am: 03.06.2021
Blogbeitrag Titelbild

Die Kreisintegrationsstelle (KIS) im Landkreis Karlsruhe ist eine innovative Werkstatt, in der Programme und Projekte zur Verbesserung der sozialen, politischen und kulturellen Teilhabe von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte entstehen. Unsere Tätigkeitsfelder sind facettenreich und beinhalten unter anderem Gremien- und Netzwerkarbeit, Durchführung von Veranstaltungen und Qualifizierungen, Öffentlichkeitsarbeit und Fördermittelgewährung. Der Fokus liegt dabei auf Themen wie Sprache, Bildung, Arbeit und Gesundheit. Unser umfangreiches Programmportfolio in diesen Themenbereichen wird kontinuierlich entwickelt und ausgebaut.

Den Kern des KIS-Programmportfolios bilden Veranstaltungen diverser Art vor Ort. Dabei spielen die menschliche Interaktion, das Lernen und der Austausch in Präsenz eine große Rolle. Die pandemiebedingten sozialen Einschränkungen machen die Fortführung unserer integrativen Arbeit zum Teil in virtuellen Formaten notwendig. Dafür gibt es einige Gründe: Gerade in der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Lage sind unterstützende Programme für Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte wichtiger denn je, denn dieser Bevölkerungsgruppe fehlen oft sonstige stabilisierende Netzwerke und Ressourcen. Ein weiterer pragmatischer Grund für die Fortführung der Programme und Projekte für Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte ist die Abhängigkeit von externen Förderungen bei einigen unserer Vorhaben. Die geförderten Programme und Projekte müssen innerhalb der vorgesehenen Förderfristen umgesetzt werden. Inaktivität kann in solchen Fällen zum Verlust der Fördermittel führen. Und nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass der Projekt- und Programmdurchführung der KIS oft die ehrenamtliche Tätigkeit von engagierten Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises zugrunde liegt. Um die Zusammenarbeit mit den Engagierten zu entwickeln und stabile ehrenamtliche Netzwerke aufzubauen und aufrechtzuerhalten, bedarf es jahrelanger Arbeit. Der langfristige Ausfall der ehrenamtlichen Beschäftigung kann unter Umständen diese Netzwerke gefährden.

In diesem Blogbeitrag laden wir Sie ein, uns auf dem Weg zur virtuellen Umsetzung am Beispiel des Netzwerkes Sprachbildung im Landkreis Karlsruhe zu begleiten. Im Folgenden werden die konkreten Herausforderungen und die dazu entwickelten Lösungsansätze und Entwicklungsperspektiven dargestellt. Ziel ist es, aus einer herausfordernden Situation das Beste für die zukünftige Entwicklung durch den Erfahrungsaustausch mitzunehmen.

Informationen zum Netzwerk Sprachbildung im Landkreis Karlsruhe

Im Rahmen des Netzwerkes Sprachbildung bieten die Bildungskoordinatorinnen der KIS Begegnungs- und Austauschangebote sowie Workshops und Vorträge für Fachkräfte in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen im Landkreis Karlsruhe an. Im Mittelpunkt steht das Thema Sprachbildung und Sprachförderung von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache. Durch den Ausbau von Fachwissen und Austausch zwischen Bildungsfachkräften soll die Qualität der Sprachbildung von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache kontinuierlich verbessert werden.

Besondere Herausforderungen

In der Pilotphase wird das Netzwerk vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg gefördert. Da die Förderung an bestimmte Fristen gekoppelt ist, steht ein anhaltendes Pausieren des Vorhabens außer Frage. Die Umsetzung des Netzwerkes in einem neuen, bis jetzt nicht angewendeten virtuellen Format, bringt zusätzlichen Zeitaufwand und Komplexität mit sich.
Trotz der nun virtuellen Umsetzung soll das Netzwerk Sprachbildung folgende Aspekte für die Teilnehmenden anbieten:

  • Fachvorträge zu ausgewählten Themen durch eingeladene Referentinnen und Referenten, um das Fachwissen der Teilnehmenden zu erweitern;
  • Diskussionen nach den Fachvorträgen, um Fragen zum Thema klären und das Gelernte verfestigen zu können;
  • Vernetzung und (Wissens-)Austausch miteinander, um Unterstützung in der Praxis durch Fachkolleginnen und -kollegen zu bekommen;
  • Möglichkeit, Rückmeldung an die Organisatorinnen und Organisatoren des Netzwerkes zu geben, um die Entwicklung des Netzwerkes aktiv mitgestalten zu können.

Lösungsansätze

Folgende Handlungsschritte wurden daraufhin umgesetzt:

  • Verantwortliche für Informations- und Kommunikationstechnik (IT) wurden in die virtuelle Umsetzung als Fachexpertinnen und Fachexperten involviert;
  • ein Katalog der gewünschten Funktionen wurde durch die Bildungskoordinatorinnen erstellt;
  • in mehreren gemeinsamen Videokonferenzen wurden seitens der IT-Verantwortlichen technische Lösungen für die Umsetzung der gewünschten Funktionen vorgeschlagen.

Als Resultat ist ein Konzept zur virtuellen Durchführung des Netzwerkes Sprachbildung entstanden.

Tipps und Tricks

Involvieren Sie die Fachexpertinnen und Fachexperten für den Bereich IT in Ihrer Kommune möglichst früh in die Planung Ihres virtuellen Vorhabens. Beschreiben Sie Ihr Vorhaben samt Aspekten, die in Präsenz umgesetzt worden wären und lassen Sie sich von den IT-Expertinnen und -experten entsprechende virtuelle Alternativen vorschlagen.

Die Webseite des Netzwerkes Sprachbildung befindet sich auf der Homepage des Landkreises Karlsruhe und bündelt alle notwendigen Informationen und Funktionen, um am Netzwerk teilnehmen zu können. Dort erfahren Interessierte, worum es beim Netzwerk Sprachbildung geht, sehen gleich die Kontaktdaten der zuständigen Bildungskoordinatorinnen, können sich das aktuelle Programm anschauen und Informationen über Referentinnen und Referenten erhalten. Die Anmeldung für die einzelnen Netzwerkveranstaltungen erfolgt ebenfalls per Klick gleich auf der Webseite.

Für die einzelnen Veranstaltungen des Netzwerkes wurde die Plattform Zoom verwendet, die durch die externe Fachreferentin bereitgestellt wurde. Die Teilnehmenden konnten auf diesem Wege Fachvorträgen beiwohnen, gemeinsam in virtuellen Kleingruppen zusammenarbeiten und sich in der großen Runde thematisch austauschen.

Tipps und Tricks

Nutzen Sie bereits bestehende Ressourcen Ihrer Kommune: Homepage, Plattformen und Software mit bereits erworbenen Lizenzen. Externe Referentinnen und Referenten haben oft ebenfalls Softwarelizenzen und Erfahrung bei der Arbeit mit virtuellen Plattformen. Dies kann die Auswahl der technischen Mittel für die Umsetzung Ihres virtuellen Vorhabens erweitern. Darüber hinaus können Sie auf diesem Wege auf digitale Kompetenzen der Referentinnen und Referenten zugreifen. Testen Sie die virtuelle Veranstaltungsplattform Ihrer Wahl erst intern im Team. Verwenden Sie dafür, wenn möglich, unterschiedliche Endgeräte (Laptops, Handys, Tablets) mit diversen Betriebssystemen, da sich die Oberfläche der Plattform je nach Endgerät und Betriebssystem unterscheiden kann. Führen Sie die Teilnehmenden Ihrer virtuellen Veranstaltung in die Funktionen der entsprechenden Veranstaltungsplattform gleich zu Beginn ein. Erklären Sie, welche Funktionen es gibt und wie diese genutzt werden können. Lassen Sie die Teilnehmenden die Plattformfunktionen auf ihren Endgeräten finden und kurz ausprobieren. Führen Sie Ihr virtuelles Vorhaben mindestens zu zweit oder zu dritt durch. Erteilen Sie mehreren Personen die Moderationsrechte und verteilen Sie die Aufgaben. Es empfiehlt sich, eine Person dabei zu haben, die ausschließlich für die technische Unterstützung der Teilnehmenden zuständig und telefonisch erreichbar ist. Darüber hinaus ist neben dem Hauptvortrag die Überwachung der Meldungen und des Chats sinnvoll, um auf Beiträge und Fragen der Teilnehmenden frühzeitig zu reagieren und in Interaktion zu treten. Wenn Sie die Funktion der Breakout Rooms verwenden, ist es empfehlenswert, dass eine Person sowohl diese Räumlichkeiten als auch den Hauptraum im Blick behält. Dies ermöglicht es, die Teilnehmenden, die aus technischen Gründen am falschen Ort landen, „abzuholen“ und richtig zuzuordnen. Gestalten Sie Ihr virtuelles Vorhaben abwechslungsreich. Plattformen wie Zoom und BigBlueButton bieten dafür zahlreiche Funktionen an: Breakout Rooms, virtuelle Pinnwände, Einbettung von Videos, Chat, virtuelle Umfragen. Darüber hinaus können viele zusätzliche Online-Tools genutzt werden. Beachten Sie aber dabei, dass die Nutzung von mehreren virtuellen Dienstleistern im Rahmen einer Veranstaltung die Teilnehmenden auch überfordern kann. Diese Funktionen können als eine Basisausstattung einer virtuellen Veranstaltung gelten:

  • Fachvortrag mithilfe einer Präsentation;
  • anschließende Arbeit in Kleingruppen;
  • durchgehende Möglichkeit, sich im Chat zu melden;
  • abschließende Evaluation durch ein externes Tool in Echtzeit. Fügen Sie zusätzliche Funktionen und externe Tools zielführend und bewusst bei Bedarf hinzu.

Um die Vernetzung und den Wissensaustausch außerhalb der Netzwerkveranstaltungen zu ermöglichen, wurde eine Online-Austauschplattform für die Teilnehmenden am Netzwerk Sprachbildung aufgebaut.

Der Zugang zur Online-Austauschplattform gelingt ebenfalls über die Webseite des Netzwerkes Sprachbildung. Interessierte Teilnehmende registrieren sich für die Online-Austauschplattform und erhalten ihre individuellen Login-Daten. Nach dem Login gelangen die Teilnehmenden in ein thematisch aufgebautes Forum und können sich über gegenseitige Beiträge austauschen. Dieses Austauschformat ist jederzeit über Login unabhängig von Netzwerkveranstaltungen zugänglich. Außerdem können die Netzwerkteilnehmenden Unterlagen zu einzelnen Netzwerkveranstaltungen über die Online-Austauschplattform jederzeit ansehen oder herunterladen.

Tipps und Tricks

Machen Sie die Referentinnen und Referenten im Vorfeld mit der Plattform vertraut und treffen Sie Absprachen, inwieweit diese im Forum aktiv werden können. Die Referentinnen und Referenten können auf diesem Wege ihre Unterlagen, zusätzliche Links und Literaturtipps unmittelbar nach der Veranstaltung im Forum selbständig posten und bei Bedarf gepostete Fragen zu Veranstaltungsthemen beantworten. Fangen Sie beim Aufbau des Forums der Online-Austauschplattform mit wenigen Themen an und lassen Sie diese durch die Teilnehmenden im Laufe der Zeit ergänzen.

Auch bei der Evaluation des Netzwerkes Sprachbildung wurde eine digitale Methode genutzt. Mithilfe des Tools Mentimeter kann Feedback von Teilnehmenden in Echtzeit oder im Anschluss gesammelt werden. Die Teilnehmenden beantworten die Fragen der Evaluation bequem am Endgerät. Mentimeter wertet die Daten automatisch aus und stellt das Resultat graphisch dar.

Tipps und Tricks

Bieten Sie den Teilnehmenden die Möglichkeit, Ihre virtuelle Veranstaltung in Echtzeit im letzten Teil der Veranstaltung schnell und bequem am Endgerät zu evaluieren. Die Evaluation wird dadurch als integrierter Teil der Veranstaltung wahrgenommen, bedarf keiner Zeitinvestition außerhalb der Veranstaltung und wird ohne zusätzlichen Aufwand für Sie und die Teilnehmenden ablaufen. Nutzen Sie dazu die zahlreichen digitalen online Evaluationstools, die eine automatische Auswertung und anschauliche graphische Darstellung der Daten anbieten. So sparen Sie die Auswertungszeit und können das Resultat der Evaluation bei Bedarf gleich für Präsentationszwecke verwenden.

Zusätzlich zur Evaluation der konkreten Veranstaltungen des Netzwerkes gibt es die Möglichkeit, Themenwünsche für die zukünftigen Netzwerkveranstaltungen jederzeit auf der Webseite des Netzwerkes Sprachbildung abzugeben. Dies kann sowohl bei der Anmeldung für laufende Veranstaltungen als auch zu jedem späteren Zeitpunkt geschehen.

Fazit und Entwicklungsperspektiven

Das Netzwerk Sprachbildung wurde virtuell erfolgreich im nordwestlichen Teil des Landkreises Karlsruhe umgesetzt. Insgesamt besuchten bereits etwa 40 Bildungsfachkräfte die Veranstaltungen des Netzwerkes und gaben ihr positives Feedback dazu ab:

"In der aktuellen Situation ist jeder Austausch besonders wertvoll, gerne mehr davon und auch weitere gemeinsame Veranstaltungen", Teilnehmerin am Netzwerk Sprachbildung.

Die virtuelle Umsetzung des Netzwerkes Sprachbildung wird nun in nordöstlichen und südlichen Teilen des Landkreises Karlsruhe bis zum Ende 2021 angestrebt.

Das oben beschriebene Gesamtkonzept der virtuellen Umsetzung des Netzwerks Sprachbildung bewährte sich sehr gut und wird ganz oder zum Teil für die Umsetzung weiterer virtueller Veranstaltungen genutzt.

Umsetzungselemente wie eine Webseite, die Online-Anmeldefunktion, eine Online-Austauschplattform und digitale Durchführung der Veranstaltungsevaluation erfordern einen großen zeitlichen Aufwand in der Phase der Ersteinrichtung. Danach werden sie aber zur Ressource, die für eine organisatorische Entlastung sorgt. Im Grunde genommen werden dadurch einige organisatorische Prozesse automatisiert, was mehr Zeiträume für konzeptionelle Entwicklungen der Programme schafft.

Ähnlich verhält es sich mit der virtuellen Umsetzung der Veranstaltungen mithilfe von diversen Plattformen. Der Besuch von Veranstaltungen in Präsenz vor Ort, der menschliche Kontakt und Austausch können kaum vollständig ersetzt, aber sehr wohl ergänzt werden. Je nach Ziel einer Veranstaltung, der geplanten Anzahl der Teilnehmenden, dem vorhandenen Budget und anderer Faktoren, können virtuelle Formate und Formate in Präsenz frei und flexibel kombiniert werden. Dadurch können Veranstaltungskosten gespart und neue potenzielle Zielgruppen erreicht werden.

So kann beispielsweise die Durchführung eines großen Vernetzungstreffens kostengünstig virtuell umgesetzt werden. Der Fokus kann dabei auf die Vermittlung des fachlichen Wissens gelegt werden. Da das große Vernetzungstreffen virtuell stattfindet, fallen Anfahrtszeiten weg. Dadurch werden möglicherweise die Interessierten erreicht, die in entfernteren ländlichen Gebieten wohnen oder aus diversen anderen Gründen keine Möglichkeit zur Teilnahme vor Ort hätten. Diesem großen Vernetzungstreffen können kleinere lokale Austauschrunden mit dem Fokus auf Vernetzung untereinander folgen. Diese sind in Gemeinschaftsräumen der Kommunen möglich und können niederschwellig umgesetzt werden. Dies ist nur ein Beispiel für viele mögliche Kombinationsszenarien.

Die Industrie der virtuellen Lösungen erfährt derzeit eine rasante Entwicklung. Die Auswahl und Nutzung der passenden virtuellen Lösungen ist, wie dieser Blogbeitrag darstellt, sicherlich herausfordernd und führt nicht immer zu berechenbaren Resultaten. Es kann aber nicht übersehen werden, dass virtuelle Umsetzungsmöglichkeiten die integrative Programmarbeit sinnvoll ergänzen und im Endeffekt zur Förderung der Teilhabe von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte beitragen können.

Yana Shykhyrina